Das Schicksal eines Freiwilligen

Mein Heimweh ist überwunden, auch wenn mir natürlich immer noch sehr meine Familie und meine Freunde fehlen. Ich weiß wo ich bin, wenn ich in der Früh aufwache. Ich habe neue Freunde hier gefunden. Ich fühle mich wirklich wohl. Ich kann schon echt gut meine Wäsche mit der Hand waschen. Ich finde es wäre der richtige Zeitpunkt, um zu sagen „Ich bin angekommen und habe meinen Platz hier gefunden“.

 

Leider ist dem nicht so. Nachdem vor zwei Wochen die Ferien begonnen haben, ist es in Mama Margarita sehr leer geworden. Auch die Kinder vom Comedor waren selten zu sehen, da sie wegen den Festivitäten für die Purisima an vielen anderen Stellen mit Essen versorgt wurden.

Meine Aufgabe in den Ferien sollte es sein, Englisch zu unterrichten. Letzte Woche hätte dies beginnen sollen. Ich habe in den Tage zuvor einiges für den Unterricht vorbereitet und war Montag in der Früh pünktlich um acht Uhr startklar. Doch leider waren keine Kinder da, die ich in ihren Ferien mit Englischunterricht quälen konnte. Das hat mich erstmal nicht beunruhigt, da Pünktlichkeit hier sicher keine große Rolle spielt. Doch als um zehn Uhr immer noch niemand da war, habe ich angefangen mir Gedanken zu machen, ob überhaupt noch jemand kommt. Die Schwester, die für das Projekt und somit auch für mich verantwortlich ist, hat  mich auf den nächsten Tag vertröstet und sie war der Meinung, dass in der nächsten Woche auf alle Fälle wieder mehr Kinder kommen würden. Naja, da ich hier schon zu einem Spezialisten was Geduld und Flexibilität angeht geworden bin (zwei Eigenschaften, mit denen ich in meinem bisherigen Leben sicher nicht Punkten konnte), habe ich das eben so hingenommen. Allerdings war es wirklich sehr langweilig, da die ganze Woche nur vereinzelt Kinder kamen, die teilweise erst vier oder fünf Jahre alt waren und verständlicherweise nicht sehr viel Interesse daran hatten, Englisch zu lernen.

 

Als ich hier angekommen bin, war ich sehr damit beschäftigt, alle neuen Eindrücke zu verarbeiten, Spanisch zu lernen und mich an die Zeitumstellung und den Klimawechsel zu gewöhnen. Nachdem das mittlerweile alles ziemlich normal für mich geworden ist, habe ich jetzt die Zeit mich voll und ganz auf mein Projekt zu konzentrieren. Deshalb habe ich mich mit der Schwester aus meinem Projekt zusammengesetzt, um mit ihr über die Situation zu reden. Auf meine Vorschläge hin, mit den Kinder Sport zu machen, zu basteln oder ein Theaterstück einzuüben, was den Kindern in ihren Ferien mit Sicherheit mehr Spaß machen würde, bekam ich die Antwort, dass der Englischunterricht wichtiger sei. Seit gestern kommen nun wieder mehr Kinder. Ich werde jetzt versuchen mich in mein Projekt einzuarbeiten und meine Aufgabe so gut wie möglich zu meistern.

 

Ich habe schon mit andere Volontären hier gesprochen, denen es meist nicht anders geht als mir. Man kommt hier an voller Tatendrang und Ideen, man denkt die Welt verändern zu können, um dann festzustellen, dass ein Mensch alleine die Welt nicht zu einer Besseren machen kann. Es ist wirklich schwer, die vielen hilfsbedürftigen Menschen hier zu sehen und dabei seine eigenen Machtlosigkeit vors Auge geführt zu bekommen. Es gibt viele Freiwillige hier in Nicaragua, es gäbe auch genügend Probleme, die gelöst werden müssten, es würde Hilfe gebraucht werden, aber es fehlt eine Struktur, es fehlt aber auch der Wille der Menschen hier wirklich etwas zu verändern, es fehlt ein Sinn für Ernsthaftigkeit, mit dem eine gewisse Kontinuität geschaffen werden könnte. Aber vielleicht sind es wirklich die Kleinigkeiten, die die Menschen hier bereichern und die ihnen den Anreiz auf eine neue Sichtweise auf ihr Leben ermöglichen. Vielleicht reicht es wirklich, einfach nur für die Kinder da zu sein, mit ihnen zu spielen und ihnen zuzuhören. Vielleicht muss man, um zu helfen, wirklich nicht versuchen, die Welt zu verändern.

 

 

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